Mit Verlaub: das Genre der Auftragskiller-Komödie ist in etwa so frisch wie alte Socken früh halb 4, und John Dahl, einst ein junger Meister des modernen Film noir, schien seine besseren Zeiten doch auch schon hinter sich zu haben. Und dann und plötzlich dreht der Kerl ein Ding, das einen von den Füßen hebt, das im Kernkonstrukt nun zwar nicht hyperinnovativ, jedoch in seinem Witz, seiner Kompromißlosigkeit und im Tempo ein ganz wunderbarer Film, eine herrlich absurde Gangsterballade geworden ist. Eine, die sich neben dem klassischen, bleihaltigen Mafiaplot auch noch einen ethanollastigen Subtext gestattet.
Frank nämlich, um den es hier geht, ist nicht nur Killer, sondern auch Trinker. Wo bei anderen der Joghurt im Kühlschrank steht, reihen sich bei ihm die Wodkapullen. Durch seinen unbändigen Durst vergeigt er einen Auftrag und wird von seinem Onkel, ein hohes Tier bei der Polen-Mafia, nach San Francisco geschickt. Dort soll er bei den Anonymen Alkoholikern vorbeischauen und eine Stelle als Leichenaufhübscher in einem Bestattungsunternehmen antreten. Und genau an derart morbidem Ort betritt sie die Szenerie: Laurel, eine vom Leben oft enttäuschte und doch sehr resolute Frau, die scheinbar einiges ab kann. Denn sie verliebt sich in ihn, den Unsteten, den Leichenfledderer, den Trinker ... und den unabbringbaren Auftragsmörder.
Und eben das macht diesen Film so unwiderstehlich, so erfrischend: Pups auf die Moral, manchmal geht die Liebe eben durch den Schalldämpfer! Laurel hat zwar kurz zu schlucken, doch schließlich steht sie mit Ohrenschützern im Schießstand und führt außerdem mit einem hohen Maß an Geschick die Klinge. Das tut auch wirklich Not, denn während Frank auf dem schwierigen und mit Fallen versehenen Pfad der Tugend wandelt und der Liebe begegnet, wird es an der Ostküste eng für die Polen, die Iren-Mafia mit den Chinesen im Schlepptau ist kurz davor, den Laden zu übernehmen. Frank muß zurück, die Iren müssen weg, und Laurel wird ganz einfach ihrer Pflicht nachkommen ...
Altmodisch ist der Film, im besten Sinne, was auch impliziert, daß es keine Lückenfüllerschwätzereien dafür brillant geschriebene, von abenteuerlichem Witz geprägte Dialoge gibt. Die perfekt zu den fein ausgearbeiteten Figuren passen: denn dieser Frank ist schon ein echter Kauz von einem Killer, der einen leicht überzogenen Arbeitsethos pflegt. Manchmal nämlich geht beim Töten auch etwas schief, da setzt man an der Kehle an, verrutscht und zack! landet im Auge. Schon muß man nachlegen, und weil dies eben alles andere als schön aussieht, verschickt Frank zur Wiedergutmachung für das schändliche Versagen an die Hinterbliebenen Gutscheine. Für ein Dinner zu Zweit, für den neuen Technikmarkt an der Ecke ...
Zu so einem Typen paßt Laurel nur zu gut, die auch beherzt sagt, warum sie ältere Männer so mag: "Die machen keine Experimente und stehen nicht am Morgen danach auf, um zu sagen, daß sie doch schwul sind ..." Und überhaupt ist es das Zusammenspiel von Ben Kingsley und Téa Leoni, das diesem ruppigen Stück pure Eleganz verleiht. Staunen kann man über Kingsley eigentlich immer, ob hier an Leonis Seite oder in Kürze neben Penélope Cruz. Der Mann kann scheinbar besonders gut mit schönen Frauen ...
Originaltitel: YOU KILL ME
USA 2007, 90 min
Verleih: Koch Media
Genre: Gangster, Liebe, Komödie
Darsteller: Ben Kingsley, Téa Leoni, Bill Pullman, Luke Wilson
Regie: John Dahl
Kinostart: 12.06.08
[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.