Originaltitel: YOURS IN SISTERHOOD
USA 2018, 101 min
Verleih: Arsenal Insitut
Genre: Dokumentation
Regie: Irene Lusztig
Kinostart: 03.01.19
Daß über Feminismus und Gleichberechtigung längst nicht zu Ende diskutiert wurde, ist seit MeToo klar. Vorher – so war der Eindruck – war schon viel erreicht worden. In den 70er Jahren hatten Frauen angefangen, sich lautstark Gehör zu verschaffen, auch durch das 1972 gegründete „Ms. Magazine“, die erste landesweite feministische Publikation der USA.
Was aber hat sich seitdem tatsächlich getan? Die amerikanische Filmemacherin Irene Lusztig widmet sich dafür einem sehr konkreten Gegenstand: Leserbriefe, die 1972 an „Ms. Magazine“ geschrieben wurden. Für manche Briefe sucht sie die ursprünglichen Schreiberinnen auf und konfrontiert sie mit ihren Gedanken, die allermeisten Briefe aber werden von Frauen gelesen, die heute in einem ähnlichen Kontext verhaftet sind wie die Frauen damals. Die Inhalte der Briefe sind so divers wie die Biographien ihrer Verfasserinnen. Es geht um mangelnden Respekt, nicht ausgelebte Sexualität, gleichgeschlechtliche Liebe, um Verletzungen im Alltag und die großen Diskriminierungen in der Gesellschaft. Eine Frau beschreibt, wie sie eine Ausbildung zur Polizistin gemacht hat, im Anschluß aber keinen Job findet, weil bei der Polizei Frauen nicht erwünscht sind. Eine Frau aus North Carolina, die mit einem Schwarzen verheiratet ist, erzählt „von stummen Mißachtungen und obszönen Bemerkungen.“ Dabei trifft die Filmemacherin die Frauen in ihren Heimatorten, kleine Provinznester mit einstöckigen Häusern und breiten Straßen.
Das Konzept ist klar und interessant. Dennoch kann sich dieser Flickenteppich aus gelesenen Briefen über 101 Minuten auch hinziehen. Schön hingegen ist, daß Lusztig die Frauen nicht inszeniert, ihre Unsicherheiten im Bild läßt, und auch kritische Meinungen zu Wort kommen, denn nicht alle stimmten zu der Zeit in den feministischen Gesang mit ein.
Das wirklich Spannende aber dabei ist, daß die Briefe so gar nicht piefig oder altbacken erscheinen, im Gegenteil. „Es fühlt sich seltsam an, weil es so real erscheint“, sagt die Frau aus North Carolina im Anschluß, die heute ebenfalls mit einem Schwarzen verheiratet ist. Sie verspüre Angst, denn die Leute denken, mit der Zeit würde sich alles zum Besseren wenden. Der Film gießt nun Öl ins Feuer der Genderdebatte und schafft eine wichtige Plattform. Denn bis auf einen wurden die Briefe, aus denen YOURS IN SISTERHOOD besteht, vorher nie veröffentlicht.
[ Claudia Euen ]