Originaltitel: YULI

Spanien/GB/D 2018, 104 min
FSK 6
Verleih: Piffl

Genre: Drama

Darsteller: Carlos Acosta, Santiago Alfonso, Edilson Manuel Olbera Nuñez, Keyvin Martínez

Regie: Icíar Bollaín

Kinostart: 17.01.19

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Yuli

Carlos Acosta – I Won’t Dance

1973 wird in Havanna ein Star geboren. Nur die Bühne steht noch nicht fest. Carlos, Sohn eines afrokubanischen LKW-Fahrers, wird nach einem Kriegsgott der Santería „Yuli“ genannt. In welchen Krieg aber soll der Rotzlöffel ziehen? Ein Fußballschlachtfeld kann sich der Junge vorstellen, für seine Breakdance-Moves reicht die Vorortstraße, die ärmlichen Verhältnisse sind Alltag, nicht Feind. Daß der aufbrausende Vater ihn in Schwuchtel-Strumpfhosen zum Plié prügeln würde? Das glaubt Carlos erst, als er sich augenreibend in der Ballettschule wiederfindet. Widerstand? Zwecklos. Sein Aufstieg zum „goldenen Mulatten“ der internationalen Ballettwelt beginnt, ob es ihm paßt oder nicht.

Diese Kindheit, diese erdrückende Vaterfigur, nicht zuletzt das Kuba der ewigen Krisen – das ist der Rahmen, den die spanische Regisseurin Icíar Bollaín hier aufspannt. Es geht um alles: um fast 40 Jahre Ringen mit dem Korsett des klassischen Repertoires, um vier Dekaden „Socialismo Cubano“, um dunkle Haut in weißen Kostümen, um die Schwerkraft der eigenen Wurzeln und das Hadern mit Aufwertungsträumen, die nicht die eigenen sind. Bollaíns Kino definiert sich durch Haltung, nicht unbedingt durch ausgeprägte Handschrift. Zugänglich darf es sein, blumig oder erdig, auch allzu geradeheraus wie zuletzt EL OLIVO. So gesehen, ist jeder ihrer Filme ein Einzelfall. Das Drehbuch zum Einzelfall YULI, erneut verfaßt von ihrem Lebensgefährten Paul Laverty, basiert auf Acostas 2007 veröffentlichter Autobiographie. Bollaín und Laverty machen daraus zweierlei. Zunächst eine durchaus konventionell angelegte Erinnerungskette, die Milieu und geopolitischen „Stallgeruch“ auffädelt – kubanische „Heimatkunde“ der 80er, 90er und 2000er, Familien- und Verzweiflungsgeschichte mit kinematographischem Feenstaub, eingefangen in Kinderaugen, ausgestreut in Flashbacks. Und dann? Überlassen sie das Feld dem biographischen Gegenstand.

Acosta selbst sowie Mitglieder seiner Kompanie tanzen: zornige Väter, dünnhäutige Söhne. Keine Strumpfhosen. Die Kraft, die in diesen Sequenzen frei wird, das Unmittelbare dieser nach eigenen Regeln funktionierenden Körpererinnerung bleiben übrig, wenn die aus dem Rückblick rekonstruierten Lebensstationen, die Zeitungs- und Aufführungsdokumente, die epischen Atmosphärenskizzen und ihre manchmal etwas abgenutzten Bilder verblassen.

[ Sylvia Görke ]