Als Selma stirbt, soll ihre Tochter Zaïna im Hause des wohlhabenden und einflußreichen Stiefvaters Omar wohnen bleiben. Die 12jährige aber gibt diesem die Schuld am Tod der Mutter und weigert sich. Sie wird ihrem plötzlich auftauchenden Vater Mustapha anvertraut, den sie bis dahin nicht kannte und der seinerseits vorgibt, von ihrer Existenz bisher nichts gewußt zu haben. Der Nomade ist auf dem Weg, die besten arabischen Vollblüter und ihre Reiter seines Stammes nach Marrakesch zu führen, wo sie am Agdal, dem ruhmreichsten aller Pferderennen teilnehmen wollen. Nur widerstrebend geht Zaïna mit dem ihr Fremden mit. Als die Gruppe ihre gefahrvolle Reise antritt, das Atlasgebirge zu überqueren, weiß nur Mustapha, daß es nicht allein Naturgewalten und erbarmungslose Pferdediebe zu fürchten gilt. Omar wird ihnen folgen und nicht aufgeben. Die beiden Männer, einst Rivalen um die Gunst der Mutter, sind erneut in den Zweikampf getreten - diesmal um das Mädchen.
Eine Vielzahl von Gefahren und die Tatsache, daß ein Großteil der Konflikte auf dem Rücken schneller Pferde ausgetragen wird, verhelfen dieser Geschichte wie aus Tausendundeiner Nacht zu Spannung und Tempo. Schüsse aus dem Hinterhalt, Säbelkämpfe und Verrat unter Stammesmitgliedern machen hier der natürlichen Szenerie mit bröckligem Gestein, tiefen Felsspalten und steilen Abstiegen, schlechter Sicht und der Schneezone auf 3600 Metern Konkurrenz. Die Spannung aber verliert sich in einem schnell eintönig werdenden Schnittrhythmus, und die Konflikte lösen sich allzu schlicht in Wohlgefallen auf. Auch wenn all das vor der prächtigen Kulisse des Atlas geschieht, welche - im Cinemascope fotografiert - fraglos Atemberaubendes auf die Leinwand zaubert, könnte man darüber bald ermüden. In der Geschichte zwischen Vater und Tochter dagegen, die auf dieser Höhen(tor)tour einander kennenlernen, gelingt Bourlem Guerdjou über weite Strecken die glaubwürdige Inszenierung einer schwierigen Annäherung. Gegen Ende erst verliert sich diese dann leider in überzeichnetem Pathos.
Im Blick auf die orientalische Kultur aber ist sich der Film, der hier die Regeln der patriarchalischen Gesellschaft für die Konstellation der Konflikte voraussetzt, gänzlich uneins: Ein mutiges Mädchen verletzt das Gesetz und wird am Ende von dessen Hütern frenetisch gefeiert. Schlußendlich bleibt deshalb eine Eindeutigkeit: ZAïNA ist ein märchenhaftes Abenteuer.
Originaltitel: ZAïNA
F/D 2005, 100 min
Verleih: Prokino
Genre: Abenteuer, Märchen, Kinderfilm
Darsteller: Aziza Nadir, Sami Bouajila, Simon Abkarian
Regie: Bourlem Guerdjou
Kinostart: 19.10.06
[ Jane Wegewitz ] Für Jane ist das Kino ein Ort der Ideen, ein Haus der Filmkunst, die in „Licht-Schrift“ von solchen schreibt. Früh lehrten sie dies Arbeiten von Georges Méliès, Friedrich W. Murnau, Marcel Duchamp und Man Ray, Henri-Georges Clouzot, Jean-Luc Godard, Sidney Lumet, Andrei A. Tarkowski, Ingmar Bergman, Sergio Leone, Rainer W. Fassbinder, Margarethe v. Trotta, Aki Kaurismäki und Helke Misselwitz. Letzte nachhaltige Kinoerlebnisse verdankt Jane Gus Van Sant, Jim Jarmusch, Jeff Nichols, Ulrich Seidl, James Benning, Béla Tarr, Volker Koepp, Hubert Sauper, Nikolaus Geyrhalter, Thierry Michel, Christian Petzold und Kim Ki-duk.