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Zeit der trunkenen Pferde

Überleben zwischen Grenzen

Bahman Ghobadi ist für seinen ersten langen Spielfilm in sein Heimatdorf Baneh im kurdischen Teil des Iran zurückgekehrt. Kurdistan, dieses sich zwischen Iran, Irak, Türkei und Syrien erstreckende Gebiet, ist wohl mehr als jeder anerkannte Staat durch Grenzen bestimmt, die sich den Bewohnern auf der Flucht vor Repression oder beim Versuch, die erdrückende Armut mit Schmuggelgeschäften ein wenig zu mildern, immer wieder in den Weg stellen. An diesen Grenzen bricht sich auch Ghobadis Geschichte. Er schildert das harte Schicksal von fünf Geschwistern, deren Mutter bei der Geburt des jüngsten Kindes starb, und die dann auch noch den Vater durch eine Mine verlieren. Das Unglück macht den zwölfjährigen Ayub zum Familienoberhaupt, das sich nicht nur um das tägliche Auskommen sorgen muß, sondern auch um den todkranken älteren Bruder. Madi ist fünfzehn, kleinwüchsig und braucht dringend eine teure Operation, damit er wenigstens die nächsten Monate überlebt.

So verdingt sich Ayub als Schmuggler und stapft mit seiner schweren Last durch die verschneiten Berge, hinüber in den Irak. Als die Bezahlung dann ausbleibt, stimmt die älteste Schwester der Heirat mit einem Iraker zu, der ihr verspricht, auch Madi aufzunehmen und die Operation zu ermöglichen. Doch die Familie des Bräutigams weist den Jungen an der Grenze zurück. Der Kampf beginnt von Neuem.

Mit der Unbestechlichkeit eines Dokumentaristen fängt Ghobadi Armut und Härte ein, findet Bilder, die trotz aller Bodenschwere immer auch kühn sind und der tristen Wirklichkeit Weite abringen. Nie läßt er sich dazu verleiten, den beredten Gesichtern mit Tränenseligkeit ihre Kraft zu nehmen. Wenn Ayub den kranken Bruder mit seiner gelben Jacke wie ein Bündel durch den eisigen Schnee trägt, denkt er an dessen kalte Hände, den nächsten Schritt, das Brennholz für den Ofen. Die tiefe Liebe zwischen den Kindern hat Platz in kleinen Gesten und gibt der Hoffnung Raum.

[ Sylvia Görke ]