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Ziemlich beste Freunde

Warmherzige Komödie über eine Begegnung der ungewöhnlichen Art

Filme über schräge Freundschaften sind so alt wie das Kino selbst, diesen hier sollte man dennoch mit ungebremster Neugier und offenem Herzen schauen! Zwei komplett verschiedene Typen werden zusammengebracht, die normalerweise nie zusammenfinden würden – aus ihrer Herkunft heraus nicht, in Weltsicht und Habitus gleich gar nicht. Der eine bewohnt eine Villa in feinster Pariser Zentrumslage, der andere hängt mit seiner Gang in der Banlieue ab. Solche Leute sehen einander nicht. Apropos Sehen und Blickkontakt, da tut sich auch noch ein gewaltiger Unterschied auf – Driss ist ein großer Kerl, Philippe sitzt im Rollstuhl. Driss will von dem reichen Schnösel erst einmal nicht mehr als eine Unterschrift, damit er Stütze bekommt. Philippe, der einen neuen Pfleger sucht, nimmt dies als Steilvorlage: „Sie wollen wohl nicht arbeiten ...?“ Ein Angebot wird gemacht, Driss überschläft dies für eine Nacht – und ist dabei. Also fast, denn Hinternabwischen und Stützstrümpfeanziehen gehen gar nicht, und am Musikgeschmack des wohlhabenden Kerls muß auch gearbeitet werden. Und so entsteht nach und nach das, was der Titel verspricht: eine wunderbare Freundschaft, vielleicht die beste ihrer Leben. Noch nie fühlte sich Philippe so frei wie bei den spontanen Aktionen mit dem unorthodoxen Driss. Seien es das entspannte Rauchen eines Joints, die nächtlichen Rollstuhlrennen an der Seine oder das Erkunden von Philippes erogener Zone ...

Amerikanische Buddy-Komödien spielen nur selten auf diesem Niveau, wie es die beiden Franzosen Eric Toledano und Olivier Nakache hier tun, ihnen gelingen auf den Punkt gesetzte Schlagabtausche, und niemals gleiten die durchaus frivolen Scherze auf ein unappetitliches Niveau. Gekonnt spielen sie auf der ganz großen Klaviatur zwischen Drama und Komik in perfekter Balance – wie es gutes Humorkino bedingt! Es greift natürlich vor allem das Zusammenspiel der zwei wahrlich verschiedenen Typen: Wenn Philippe stundenlang in einer Galerie vor einem Bild schwärmt, erkennt der Banause Driss darauf nicht mehr als Nasenbluten auf weißem Grund. Daß er sich schließlich selbst im Malen versucht, ist eine der wertvollen Botschaften, die der Film durchaus hat, sich damit aber nicht aufdrängt, denn es ist ja auch eine feine Lästerei gegen den hysterischen Kunstbetrieb, wenn sich Driss’ „Gemälde“ schließlich für einen fünfstelligen Betrag verkauft.

Daß aber jede Freundschaftsgeschichte ohne Liebe nix taugt, wissen auch die Filmemacher: Und so erzählen sie von einem wunderbaren Neuanfang, einem vorerst anonymen Flirt, einem Briefwechsel, der durch Driss’ Interagieren dem vom Leben geprüften Philippe dieses ansteckende Lachen wieder ins Gesicht zaubert. Der Rollstuhl ist nicht das Problem, Philippe leidet viel mehr am Verlust seiner Frau. Und da muß der Freund einfach an der Zufallsschraube drehen und die neue Bekanntschaft aus dem Reich des Virtuellen in ein zauberhaftes Restaurant locken. Da darf der Film durchaus am Kitsch krabbeln, das muß dann einfach sein. Und Driss selbst hat mit seiner Mama etwas geradezubiegen.

Auch daraus entstehen die emotionalen Momente einer durch und durch gut austarierten Geschichte, die gehörig zum Lachen anhält: Wie das Großmaul Driss die rothaarige Assistentin anmacht, und wie er selbst auf die überraschende Motivation ihrer Ablehnung noch herrlich kindlich reagiert, wie er Philippes Geburtstag mit einer Earth, Wind & Fire-Performance vor dem Verstauben rettet, wie er sich einen bauchhaltend komischen Hitlerscherz leistet während der Rasur Philippes – das muß man einfach sehen. Im Kino!

Originaltitel: INTOUCHABLES

F 2011, 105 min
FSK 6
Verleih: Senator

Genre: Komödie

Darsteller: François Cluzet, Omar Sy

Regie: Eric Toledano, Olivier Nakache

Kinostart: 05.01.12

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.