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Zoran – Mein Neffe, der Idiot

Von Pfeilen, die ihr Ziel verfehlen

Wer behauptet, Paolo wäre das Ebenbild eines netten Kerls, sollte seine Menschenkenntnis eingehender Prüfung unterziehen. Der Kerl sieht nämlich nicht nur aus, als lebte er unter einem feuchten Stein, sondern agiert analog dazu – dem Alkohol offen zugewandt, pathetisch lügend, arbeitsscheu, ständig misanthropisch grantelnd. Ja, man ahnt schon, was das werden soll, von wegen rauhe Schale, weicher Kern, Herz aus Gold et cetera. Doch will die wohlwollende Saat hier eben nicht fruchten, da Paolo keine Entwicklung zeigt. Er ist ein (pardon) Arsch und bleibt einer, frißt sich bei der Ex-Frau durch, verleitet einen gerade trockenen Alkoholiker zum Trinken. Und fällt bald aus allen Wolken, weil unvermittelt Neffe Zoran auftaucht, leicht autistisch wirkend, ergo noch mehr störend, aber ein Genie im Darts. Paolo wittert Wettbewerbsteilnahmen, dickes Geld ...

Selbst grundsätzlich gütig denkende Zeitgenossen prüft jener Film nun knüppelhart, mal abgesehen vom erwähnt unsympathischen Protagonisten fordert Inhaltsleere schwer heraus. Es passiert schlichtweg kaum etwas Relevantes – man säuft, labert, schläft, geifert und lebt umgeben von beengtem Kleinstadtmief, dessen Tristesse allerdings wenig bis null Sittenbildqualität atmet. Vielmehr scheint die Inszenierung konsequent mitziehen zu wollen und schafft wenigstens das locker. Nirgends winken kinotaugliche Bilder oder das sumpfige Leid aufbrechender Humor, stattdessen regieren Farblosigkeit und Redundanz. Erschwerend kommt hinzu, daß Darts in geselliger Runde ausgeführt zweifellos Laune macht, bei reiner Betrachtung aber nun kein Sport ist, welcher einem vor lauter Spannung schier das Gebein wegfetzt. Will heißen: Die sonstige Ereignislosigkeit berücksichtigt, sitzt dem Zuschauer schon bald herbe Langeweile auf der Brust.

Hier der x-te geworfene Pfeil, dort eine weitere Schauermär aus Paolos Mund zur Erschleichung der fortgesetzten Vormundschaft. Und weiter? Wären Kopf, Herz und Arme nicht derart schwer, würde man Paolo am liebsten heftigst schütteln, ihm schrill zuschreien, endlich aus der Lethargie zu erwachen, gewaschene Haare könnten schon ein ziemlich guter Anfang sein. Doch sofort schlägt sie wieder zu, diese resignierte Müdigkeit. Den Publikumspreis der 28. Venice International Film Critics’ Week gab’s trotzdem. Eine gewisse Meinungsspaltung darf ergo beobachtet werden.

Originaltitel: ZORAN, IL MIO NIPOTE SCEMO

I/Slowenien 2014, 112 min
FSK 12
Verleih: Movienet

Genre: Komödie

Darsteller: Giuseppe Battiston, Teco Celio

Regie: Matteo Oleotto

Kinostart: 19.06.14

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...