Originaltitel: THE LAST WORD

USA 2017, 108 min
FSK 0
Verleih: Tobis

Genre: Tragikomödie

Darsteller: Shirley MacLaine, Amanda Seyfried, Anne Heche, Philip Baker Hall

Regie: Mark Pellington

Kinostart: 13.04.17

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Zu guter Letzt

Ode an die Stinkstiefeligkeit

Um es vielleicht nominell zynisch, doch in der Hauptsache erleichtert festzustellen: Ja, sie lebt noch! Sie hat unverändert diesen Blick, mit Hilfe dessen sie, die Herz-Königin à la Lewis Carroll, sogar gestandene Mannsbilder regelrecht welken läßt. Und sollte dies nun ihre letzte Show sein, dann ist es eine grandios beim Schopf gepackte Möglichkeit, sich rauschend zu verabschieden und in die Nacht zu tanzen.

Die Rede ist von Shirley MacLaine, die hier Harriet Lauler mimt, einen üblen Drachen, der es verabscheut, die Verantwortung für irgendwas aus den Händen zu geben. Weshalb Harriet innerhalb weniger Minuten dem Gärtner, der Friseurin und der Köchin deren jeweilige Inkompetenz deutlich vor Augen führt. Wenn man nicht alles alleine macht! Auch der sie nach einem Suizidversuch behandelnde Arzt sollte sich besser warm anziehen, denn der Herr Mediziner … Moment! Suizidversuch? Ja, Harriet verlor vorübergehend die Contenance.

Schnell den lächerlichen Fehler verdrängt, die Schultern gerade und Zeitung gelesen, konkret die Nachrufe. Dort schreibt eine kleine Autorin tolle Sachen über Leute, welche Harriet vollkommen anders, nämlich sündig, kennt. Hellhörig geworden, rauscht die ehemalige Werbeikone bei Anne vorbei und gibt ihren eigenen Nachruf in Auftrag, abzuliefern bis Montag, danke, Darling. Was Anne Gelegenheit bietet, im Original ein herrlich bissiges Wortspiel rauszuzischeln: "She Puts The Bitch In Obituary!"

Natürlich lehnt unser Kontrollfreak Annes Erstversuch rundweg ab, zumal ebenso klar das Mädel niemanden vors Diktiergerät kriegt, der ein einziges nettes Wort über die zukünftige Leiche sagen möchte. Logisch, wenn sich die zickige Lady beispielsweise gynäkologisch selbst untersucht und die Praxisgebühr zurückfordert. Ein steiniger Weg wartet darauf, daß Anne ihn beschreiten möge. Diese etwas herbeibemühte Ausgangssituation gilt es zu akzeptieren, dann wendet sich alles zum Guten. Na ja, nicht unbedingt für Amanda „Anne“ Seyfried, deren grundlegender schauspielerischer Ansatz darauf fußt, die jugendlich glatte Stirn in finstere Sorgenfalten zu legen. Und MacLaine dabei zuzuschauen, wie sie jedes erdenkliche mimische Register zieht, jene bislang nur auf dem Papier existente Harriet regelrecht aufsaugt, ihr den Körper leiht und sie dann losschießt, um vielerlei wunderbar spitzzüngige Schandtaten zu vollbringen. Wobei das wirklich Interessante tatsächlich darin besteht, wie sich die erwartungsgemäß selbstverständlich folgende Transformation praktisch vollzieht. Lediglich eine geringe Prise Altersmilde ereilt diese 80jährige Herausforderung der geschockten Umwelt, grundsätzlich bleibt Harriet genau der schroffe Stinkstiefel von früher, bloß mehr Spaß kommt hinzu. Was paßt, denn obwohl von der Heiligsprechung auf ewig weit entfernt, hat die bedingungslose Verfechterin einer frei geäußerten Meinung nachvollziehbare Motivationen – vorausgesetzt, das Gegenüber hört zu und ist zur Reflexion bereit.

Hinzu kommt, daß andernfalls, angesichts kompletter Drehung, eine fast ins Geniale aufsteigende Szene manches an Wirkung verloren hätte. Er sollte Lehrstoff für angehende oder etablierte Jungdarstellerinnen (hallo, Miss Seyfried!) werden, MacLaines vorübergehend, aber nachdrücklich aufbrechender Panzer, als Harriet dem längst verlorenen Ex-Ehemann Lebewohl sagt. Wie der Regisseur gesteht, hat er da beim Dreh gar nicht eingegriffen und sich nach gerufenem „Cut!“ vor seiner Hauptdarstellerin verbeugt. Wir möchten uns anschließen.

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...