D 2021, 93 min
FSK 12
Verleih: Camino
Genre: Dokumentation
Regie: Laurentia Genske, Robin Humboldt
Kinostart: 04.11.21
Lohan und Samar wurden in Syrien als Jungen geboren, sind mittlerweile Teenager und Transgender. Zuhur, ihre Mutter, ist strenge Muslima, und wenn sie über ihre Töchter spricht, die hier in Deutschland ihre Weiblichkeit feiern, wirkt sie traurig und ein wenig verloren. Lange waren Zuhur und ihr Ehemann Talib nicht bereit gewesen, sich der Kamera zu stellen. In Syrien mußten sie um das Leben ihrer Kinder fürchten, aber auch in ihrer Community in Deutschland ist Transsexualität ein Tabu, etwas Verbotenes, das gegen die Regeln des Islam verstößt. Was auch ein Grund ist, warum Talib mit seinen zwei Frauen und sieben Kindern nach Deutschland geflohen ist.
Es war ein herausfordernder Weg, den das Regieduo Laurentia Genske und Robin Humboldt mit ihren Protagonisten in dieser Langzeitbeobachtung gegangen ist, erzählt Genske im Gespräch. Lohan und Samar sind der treibende, vibrierende Pulsschlag des Filmes, immer auf dem Sprung zur nächsten Party, immer Musik an, am Schminken, Stylen. Auch immer in Konkurrenz untereinander, wer schon weiter mit der Geschlechtsanpassung vorangeschritten, mehr Frau ist. Die beiden lassen sich gerne filmen. Sie posen, tratschen und lachen und scheinen die Kamera auch als Bezugspunkt ihrer deutschen Realität zu begreifen.
Ihre Familie ist der Gegenpol, mit ihrem in Deutschland nicht anerkannten Konzept der Vielehe weit davon entfernt, in ihrer neuen Heimat angekommen zu sein. Die Filmemacher lassen diese Gegensätze gleichwertig und unkommentiert nebeneinander stehen, hören zu und lassen sich auch in der Dramaturgie ab und an davontragen, von der Fülle an Ebenen, die die Geschichte des charismatischen Geschwisterpaares in sich trägt. Denn es sind komplexe Fragen, die hier aufgeworfen werden und zum Nachdenken anregen: Wie kann und will man beispielsweise als transsexueller Mensch seinen muslimischen Glauben praktizieren, warum reproduzieren Lohan und Samar in ihren Beziehungen das Bild der umsorgenden Frau, die vom Mann auf Händen getragen werden will? Wie sollen die beiden den Spagat zwischen den Erwartungen ihrer Familie und ihren Träumen hinbekommen?
Ein sehr großer Traum hat zumindest der Film den beiden jungen Frauen erfüllt – er hat ihnen die Freiheit gegeben, unbewertet sie selbst zu sein.
[ Susanne Kim ] Susanne mag Filme, in denen nicht viel passiert, man aber trotzdem durch Beobachten alles erfahren kann. Zum Beispiel GREY GARDENS von den Maysles-Brüdern: Mutter Edith und Tochter Edie leben in einem zugewucherten Haus auf Long Island, dazu unzählige Katzen und ein jugendlicher Hausfreund. Edies exzentrische Performances werden Susanne als Bild immer im Kopf bleiben ...