17. Französische Filmtage Leipzig
16.11.–23.11.2011
Passage, Schaubühne Lindenfels
Das Motiv der 17. Filmtage irritiert auf den ersten Blick. Es zeigt eine Dogge hinter blau-rotem Streifengitter. Das kommt einem doch sehr britisch vor. Aber nein, es ist eine Französische Dogge. „Ein echter Hingucker!“, meint Passage-Kinos-Chefin Petra Klemann ganz richtig: „Wir hoffen, daß es die Leute animiert, auch mal ein Plakat zu klauen.“ Anders gesagt: Französisches Kino hat noch immer Kultstatus, und das soll wie im letzten Jahr über 7.000 Besucher locken mit insgesamt 34 Filmen in dieser Ausgabe.
Die schlechte Nachricht zuerst: Es gibt keine Retrospektive mehr, abgesehen von drei Filmen mit Publikumsliebling Dany Boon, darunter der hier unbekannte LA MAISON DU BONNAIRE (TRAUTES HEIM, GLÜCK ALLEIN) von 2006. Ansonsten macht es die schwierige Rechtesituation den Kinos zunehmend unmöglich, alte Filme für die Leinwand zu bekommen. Diese bleiben damit mehr und mehr dem DVD-Handel überlassen. Das ist ein herber Verlust für die Kinokultur.
Die gute Nachricht: Es gibt dafür in der Schaubühne eine thematische Reihe mit ganz neuen Filmen, die wirklich neugierig machen. Vor 50 Jahren fand das Massaker von Paris statt. Bei einem friedlichen Protest gegen den Algerienkrieg kamen dort etwa 200 Algerier ums Leben.
Filmemacher wie Jean-Luc Godard und François Truffaut liefen damals mit in den Solidaritätsdemonstrationen. Godards DER KLEINE SOLDAT wurde verboten. Nun sehen wir die neuen Rebellen, denen zum Teil auch der Weg ins Kino erschwert wird. Spielfilme über das postkoloniale Erbe führen nach Nord- und Zentralafrika. Und in die Pariser Banlieus wie in Jean-Pascal Zadis AFRICAN GANGSTER, den der Hip Hopper mit Laiendarstellern drehte. Hier dürfte die Dogge anbeißen.
Die Passsage Kinos zeigen wie gewohnt ein etwas gediegeneres Preview-Programm mit Filmen in OmU. Und auch da macht einiges neugierig: Warum etwa 17 Gymnasiastinnen gleichzeitig schwanger werden wollen – 17 FILLES. Oder der Ensemblefilm ET SI ON VIVANT TOUS ENSEMBLE? (UND WENN WIR ALLE ZUSAMMENZIEHEN?), der die Urgesteine Géraldine Chaplin, Jane Fonda und Pierre Richard in einer Wohngemeinschaft versammelt und mit dem Altern konfrontiert, hingegen Christophe Honoré in seinem neuen Film LES BIEN-AIMÉS (BELOVED) die Grande Dame Cathérine Deneuve und Tochter Chiara Mastroianni als Mutter und Tochter in verschiedene Liebesreigen verstrickt und ihnen die Herren Louis Garrel und Milos Forman an die Seite stellt. Nicht zu vergessen: Zwei OSCAR-Kandidaten: LA GUERRE EST DÉCLARÉE aus Frankreich und MONSIEUR LAZHARD aus Kanada, der auch den Publikumspreis in Locarno erhielt und die Brücke schlägt zum postkolonialen Thema in der Schaubühne. Denn hier muß ein aus Algerien stammender Grundschullehrer fürchten, aus Frankreich ausgewiesen zu werden, wenn sein Geheimnis auffliegt.
À propos Grundschule. Im „DOK Leipzig Spezial“ gibt es zwei neuere Dokumentarfilme von Nicolas Philibert zu sehen, der mit seinem Film SEIN UND HABEN über eine Dorfgrundschulklasse viele Menschen rührte. In NÉNETTE ist nun eine Orang-Utan-Dame die Hauptperson.
Zum Auftakt, das soll nicht vergessen werden, läuft der Cannes-Eröffnungsfilm – LE GAMIN AU VÉLO (DER JUNGE MIT DEM FAHRRAD) der Dardenne-Brüder. Ohne Frage – ein würdiger Auftakt.
[ Lars Meyer ] Im Zweifelsfall mag Lars lieber alte Filme. Seine persönlichen Klassiker: Filme von Jean-Luc Godard, Francois Truffaut, Woody Allen, Billy Wilder, Buster Keaton, Sergio Leone und diverse Western. Und zu den „Neuen“ gehören Filme von Kim Ki-Duk, Paul Thomas Anderson, Laurent Cantet, Ulrich Seidl, überhaupt Österreichisches und Skandinavisches, außerdem Dokfilme, die mit Bildern arbeiten statt mit Kommentaren. Filme zwischen den Genres. Und ganz viel mehr ...