Label: Interscope / Pid
Science-Fiction hat Hochkonjunktur im Kino. Immer wieder drängen neue Zukunftsszenarien, in denen unserer Gesellschaft genußvoll der Garaus gemacht wird, auf die Leinwand. Im April sind es gleich zwei: DIE BESTIMMUNG und SNOWPIERCER.
DIE BESTIMMUNG entstand nach Veronica Roths Jugendbuchbestseller und markiert den Beginn einer Filmtrilogie. Für den Score wurde der niederländische DJ Junkie XL alias Tom Holkenborg engagiert. Anders als M83 (OBLIVION) und Daft Punk (TRON: LEGACY) sammelte Junkie XL bereits vor seinem Sci-Fi-Debüt einschlägige Erfahrungen als Filmkomponist. Diese Vertrautheit mit den Erfordernissen von Filmmusik hört man DIE BESTIMMUNG allerdings deutlicher an, als es dem Komponisten lieb sein sollte. Denn seine elektro-orchestrale Partitur ist vor allem eins: konventionell. Risikofrei, anspruchsarm und direkt emotional bewegt sich der Score von einem Déjà-écouté-Erlebnis zum nächsten. Nur in einigen Action-Cues wagt sich Junkie XL hinaus aufs Freifeld der Schöpferkraft. Daß diese Titel allerdings deutliche Spuren von Hans Zimmers INCEPTION und MAN OF STEEL tragen, ist kein Zufall: An beiden Filmen war Junkie XL als elektronischer Zulieferer beteiligt. Offenbar waren Christopher Nolans und Jack Snyders Visionen inspirierender als die etwas gelackte Ästhetik von DIE BESTIMMUNG.
SNOWPIERCER präsentiert hingegen nicht nur die interessantere Filmprämisse, sondern auch den originelleren Score. Ein Sci-Fi-Streifen, der das endzeitliche Leben auf die Länge eines Zuges beschränkt, bietet reichlich Inspiration für einen mit Extremsituationen vertrauten Komponisten wie Marco Beltrami (WORLD WAR Z, DER FLUG DES PHOENIX). Die klaustrophobische Enge des Settings begreift Beltrami in erster Linie als Aufforderung zur Reduktion seiner instrumentalen Mittel. Den Auftakt des Scores bildet eine solistische Klaviermelodie, die, von befremdlichen Geräuschen umhaucht, erst langsam von Unisono-Streichern übernommen wird, um schließlich – nach einer flüchtigen Blechattacke – im Elektronikcluster zu ersticken. Im weiteren Verlauf formt Beltrami immer wieder schrullige, jäh wechselnde Ton- und Geräuschinseln, die den Hörer in einer beständigen Wachsamkeit zu halten scheinen.
Nichts soll wirklichen Halt geben in dieser rauhbeinigen und unsauberen Klangwelt, die öfters an der Pforte zur Soundcollage kratzt. So kracht, quietscht und hämmert es stellenweise so, als hätte Beltrami alles Metallische, was das fahrende Filmset zur Verfügung stellte, zum Klingen bringen wollen. Ein rundum gelungener Score!
[ Philipp J. Neumann ] Philipp fühlt sich inspiriert von CLUB DER TOTEN DICHTER, hat gelernt aus DAS SIEBENTE SIEGEL, ist gerührt von MAGNOLIA, hat sich wiedergefunden in THE SWEET HEREAFTER, wurde beinahe irr durch FARGO, ist für immer vernarrt in PONETTE und war schlicht plattgedrückt von DER HERR DER RINGE.