Es gibt nur wenige Filmkomponisten, deren Musik aus Zuschauern Zuhörer macht und sie statt ins Kino in die Konzertsäle lockt. Zu diesem illustren Kreis gehören zweifelsohne Ennio Morricone, John Williams und Howard Shore. Mehrzweckhallen und Stadien auf der ganzen Welt mit zehntausenden Fans zu füllen, vermag allerdings nur einer: Hans Zimmer. Warum? Was macht die Musik des Deutschen so allgemein zugänglich für ein breites Publikum jenseits eingefleischter Soundtrack-Geeks? Wie ist es zu erklären, das Zimmer-Phänomen?
Hans Zimmer ist Autodidakt. Was unter Akademikern für Naserümpfen sorgt, macht ihn in seiner Arbeit womöglich ungezwungener: Er muß keiner Kompositionsschule folgen. Anstatt Töne nach Satzlehre zu sortieren, kann er seinem Gespür, seiner instinktiven Logik freien Lauf lassen. Klassik, Popular- und Weltmusik verlötet er nach Bedarf und Belieben. Wo andere Komponisten ihre singuläre Autorschaft verteidigen, teilt er den „Composer Credit.“ Er schwört auf die kreative Zusammenarbeit mit Ausnahmemusikern (Heitor Pereira, Johnny Marr, Satnam Ramgotra) oder mit seinen Komponistenzöglingen (John Powell, Harry Gregson-Williams, Klaus Badelt). Vielleicht ist die Antwort so einfach, wie sie plausibel ist, vielleicht gründet die erstaunliche Massentauglichkeit von Hans Zimmers Musik schlicht auf Teamgeist und stilistischer Offenheit. Daß seine Musik dabei weder anbiedernd noch weichgespült auftritt, rührt von ihrer unbestreitbaren Originalität. Frühe, poppig verspielte Arbeiten wie RAIN MAN oder GREENCARD legen davon genauso Zeugnis ab wie die an Postmoderne geschliffenen, reifen Werke (THE DARK KNIGHT RISES, INTERSTELLAR). Längst zählt Hans Zimmer zu den einflußreichsten Filmkomponisten Hollywoods. Von den 100 kommerziell erfolgreichsten Filmen hat er allein 12 vertont. Addiert man die Soundtracks seiner Zöglinge hinzu, sind es 25. Zimmer sorgt also nicht nur für Töne und Themen, die sich in den Köpfen des Kinopublikums verfangen, sondern auch für Millionengewinne.
Nach der ausverkauften Konzerttournee im letzten Jahr kehrt Hans Zimmer nun zurück auf die Bühne. 55 Konzerte mit Band, Orchester und Chor in Australien, Neuseeland, USA und Europa stehen auf dem Tourplan. Zweimal wird er in Deutschland gastieren, erstmals in seiner Heimatstadt Frankfurt am Main und zuvor – am 24. Mai – in Leipzig. Statt ins Kino werden an diesem Abend tausende Fans in die Arena kommen – und das Zimmer-Phänomen wird sie zu Zuhörern machen.
[ Philipp J. Neumann ] Philipp fühlt sich inspiriert von CLUB DER TOTEN DICHTER, hat gelernt aus DAS SIEBENTE SIEGEL, ist gerührt von MAGNOLIA, hat sich wiedergefunden in THE SWEET HEREAFTER, wurde beinahe irr durch FARGO, ist für immer vernarrt in PONETTE und war schlicht plattgedrückt von DER HERR DER RINGE.