Label: Sony Classical & Decca
Alexandre Desplats Erfolgswelle hält an: Dreimal kann das Publikum in diesem Frühjahr seinen Namen im Abspann lesen. Bevor im März Wes Andersons GRAND BUDAPEST HOTEL ins Kino kommt, starteten bereits im Februar MONUMENTS MEN von George Clooney und Stephen Frears’ PHILOMENA mit einem Score des französischen Filmmusikgoliaths.
MONUMENTS MEN sticht aus dieser Triade durch seinen nahezu altmodischen Gestus heraus. Für den Historienfilm bedient sich Desplat einer kraftvollen, heroischen Klangwelt, die den amerikanischen Kriegsfilmen der 40er bis 60er Jahre zu eigen war. Desplat muß das Golden Age, muß Hugo Friedhofer, Herbert Stothart und den frühen Elmer Bernstein studiert haben, um diese militärisch eingefärbte Musik in all ihrer Ambivalenz zu gestalten.
Ein drolliges Marschthema durchzieht mit optimistischem Gestus einen zwischen Finsternis und Abenteuerlust changierenden Score. Der Komponist streckt sich in die Extreme: Dröhnendes Blech und tief registernde Bässe illustrieren die illustere Filmgeschichte ebenso wie flirrende Glöckchen, trillernde Piccolo-Flöte und schwelgende Violinen. Für Desplat ist MONUMENTS MEN ein Novum: In seinem Oeuvre taucht ein derart musikalisch retrospektiver, wirkmächtiger Eintrag bisher nicht auf.
Für Stephen Frears’ PHILOMENA zeigt sich Alexandre Desplat indes von seiner zurückhaltenden, seiner, wenn man so will, französischen Seite. Gekonnt balanciert der Komponist zwischen pragmatisch und dramatisch, sorgt mit Klavier, Glockenspiel, Flöten oder Harfe für solistische Bewegung im Orchesterapparat oder läßt die Streicherbasis schlicht und isoliert mäandern. Dabei hält er die Komposition überwiegend im tänzerischen Dreivierteltakt. Doch während er zu Anfang sein thematisches Material noch leichtfüßig und spielerisch über das Parkett bewegt, wandelt er es langsam, kaum merklich, ins Melancholische.
Es ist diese chamäleonhafte Könnerschaft, die Alexandre Desplat, vereint mit seinem schier nimmer versiegenden Quell an Ideen, zu einer Ausnahmeerscheinung im zeitgenössischen Film macht. Kein Wunder, daß sein jährliches Kompositionsvolumen schwindelerregend hoch ist. Ein offenes Ohr für ausgewähltes Kommerzkino sorgt für zusätzliche Kompositionsaufträge: Im Mai folgt sein nächstes Blockbuster-Gewitter, das Remake von GODZILLA. Man darf gespannt sein.
[ Philipp J. Neumann ] Philipp fühlt sich inspiriert von CLUB DER TOTEN DICHTER, hat gelernt aus DAS SIEBENTE SIEGEL, ist gerührt von MAGNOLIA, hat sich wiedergefunden in THE SWEET HEREAFTER, wurde beinahe irr durch FARGO, ist für immer vernarrt in PONETTE und war schlicht plattgedrückt von DER HERR DER RINGE.