Originaltitel: A REAL PAIN

USA/Polen 2024, 90 min
FSK 12
Verleih: Disney

Genre: Tragikomödie, Roadmovie

Darsteller: Kieran Culkin, Jesse Eisenberg, Jennifer Grey

Regie: Jesse Eisenberg

Kinostart: 16.01.25

A Real Pain

Filmischer Trauer-Tourismus

Man kann den Besuch eines Konzentrationslagers nicht genauso gleichförmig abfilmen wie einen Straßenzug, ein städtisches Denkmal oder einen Wanderausflug! Das heißt: Man kann das schon, und die Inszenierung von Jesse Eisenberg bleibt tatsächlich so touristisch und oberflächlich dreinblickend wie ihre beiden Hauptfiguren – eine davon gespielt von Eisenberg selbst. Die Zäsur der leibhaftigen, räumlichen Annäherung an die Katastrophen des vergangenen Jahrhunderts und den Schrecken des Holocausts bleibt in A REAL PAIN, Eisenbergs zweiter langer Regiearbeit, dadurch eine ästhetisch beliebige, ungreifbare Station von vielen, begrenzt auf wenige Eindrücke, die so tun, als hätten sie in wäßrigen Augen und Einzelaufnahmen die erschütternden Dimensionen ihres Sujets erfaßt.

Dabei soll es ein zentraler Umschlagspunkt und Erkenntnismoment in dieser Wallfahrt zweier Cousins sein, die nach Polen reisen, um das Haus der verstorbenen Großmutter aufzusuchen, sich mit ihrer Familiengeschichte und den Traumata der Vergangenheit auseinanderzusetzen. Eisenberg strickt daraus tragikomisches Screwball-Kino. Er und sein Konterpart Kieran Culkin, der eigentliche Star des Films, sind zweifellos ein bestens eingespieltes Leinwand-Duo. Die Kreisläufe aus Maßregelungen, Provokationen, Glücksmomenten und unausgesprochenem Leid reißen mit, wenn die beiden Trauer, Sorge, Fassung und aufgesetzte Lebensfreude gegeneinander ausspielen, ehe die gewohnten Verhaltensmuster unsicher und zerbrechlich werden. Wie umgehen mit historischen Verheerungen? Welche Lehren und Handlungen zieht man aus ihnen? Ein zeitgemäßes, zeitloses Thema!

Schmerzhaft wird dieser Film jedoch, A REAL PAIN also, wenn er die psychischen Probleme seiner Hauptfiguren mit deren Respekt vor noch viel größerem Leid der Vergangenheit relativiert. Als sei das eigene Zusammenreißen, schließlich waren andere noch viel übler dran, eine gewinnbringende Standpauke für irgendetwas. Eisenbergs Film bleibt somit ein leicht verdauliches Suchen, Zanken und Wandern zwischen Spuren und Erinnerungskulturen, mal ironisch und situationskomisch, mal rührend ernst. Am Ende können seine inszenatorischen Therapieversuche weder mit dem Vergangenen noch Gegenwärtigen, weder dem Individuellen noch den allgemeineren Strukturen Schritt halten.

[ Janick Nolting ]