Originaltitel: PIGEN MED NÅLEN

DK/Polen/S 2024, 123 min
FSK 16
Verleih: MUBI

Genre: Drama, Thriller

Darsteller: Vic Carmen Sonne, Trine Dyrholm, Tessa Hoder, Joachim Fjelstrup

Regie: Magnus von Horn

Kinostart: 09.01.25

Das Mädchen mit der Nadel

Monster überall

Wo Schwarz und Weiß regieren, können sich Grautöne entfalten. Was zunächst für die Kameraarbeit Michal Dymeks gilt, die hier dräuende Schatten wirft, dort ungebremst vom Grell ins Dunkel stürzt und Irrlichter auf heruntergekommene Bruchbuden, verhärmte Gesichter oder perfektionsferne Körper malt. Harten Zeiten geschuldete Projektionsflächen, der Erste Weltkrieg endete, die Fabrikangestellte Karoline greift verzweifelt dem Chef an Brust und Hose, woraus eine Schwangerschaft resultiert. Doch der verschollene Gatte kehrt überraschend wieder. Sie schmeißt ihn raus. Auftakt noch brutalerer Demütigung, er zeigt fortan sein versehrtes Antlitz im Zirkus angewiderten Schaulustigen. Dann zerstört Karolines erhofft künftige Schwiegermutter in klirrender Gefühlskälte jede erträumte Sicherheit, Unterschlupf findet die jetzt völlig am Abgrund Stehende schließlich bei Dagmar, äthersüchtige Verkäuferin von Bonbons – und ungewollten Kindern an betuchte Pflegeeltern. Ein Heilungsort? Oh nein …

Jenen auf realen Ereignissen fußenden Film bevölkern Menschen, die zu Zerrfratzen ihres einstigen Ichs verkamen, sich in animalische Mischwesen verwandelten, den Blick starr auf die nächste Mahlzeit, das eigene Wohl gerichtet. Kaum zu verübeln indes, weil es manchmal bloß um einen Schlafplatz, generell nacktes Überleben geht, während schlimmere Monster flanieren, feinen Zwirn tragen, mustergültige Manieren beherrschen, ein freundliches Lächeln oder sanften Trost schenken. Umrahmt durch schwerlich Musik zu nennende Tonfolgen, Harmonie kennt diese Welt höchstens aus „Damals …“-Erzählungen.

Alles, selbst der Filmtitel, hat doppelten Sinn und mindestens einen weiteren Boden, nirgends entwächst Gewißheit beruhigender Eindeutigkeit, darf man sich geschützt wähnen, jemandem vertrauen. Am wenigsten Dagmar, welche Trine Dyrholm zutiefst mutig spielt, ein schon übergriffiger, so vereinnahmender wie abstoßender Parforceritt. Dessen Schlußmonolog krönend ins Mark fährt, vorausgesetzt die Bereitschaft, ihn nicht – unter anderem wegen Augen-zu-Bequemlichkeit – als psychopathisches Geschwafel einer Verrückten abzutun, sondern einem extern geformten, irgendwann zwanghaft verkrüppelten Gerechtigkeitsverständnis zu lauschen. Brückenschlag zum Finale, das es sich eventuell arg einfach macht, vielleicht aber auch zwei Seelen eine Chance gewährt. Die letzte.

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...

Das Mädchen mit der Nadel ab heute im Kino in Leipzig

  • Sa 11.01.2025

    Luru Kino: Im Original | OmU 17:15

    So 12.01.2025

    Luru Kino: Im Original | OmU 17:15

    Mi 15.01.2025

    Luru Kino: Im Original | OmU 20:45

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