Bild: TANDEM

24. Filmkunstmesse

16.09.–20.09.2024

Passage, Schauburg

www.filmkunstmesse.de

Gemeinschaftssinn und (nicht nur späte) Entdeckungen

Ein Blick auf die 24. Filmkunstmesse

Die einsame Doppelspitze zeigt Trendpotential: Letztes Jahr rettete „Barbenheimer“ den Kinosommer, anno 2024 stopften zwei Animationsfilmfortsetzungen das drohende Sommerloch. Harte Grenzen zwischen Arthouse und Multiplex wanken, glücklicherweise, denn reflex- und gebetsmühlenartig Trennendes zu betonen, hat ungeachtet ungebrochener praktischer Umsetzung noch nie funktioniert. Und so tritt die Filmkunstmesse unverzagt an zu verbinden, für Austausch und Gemeinschaft.

Felix Bruder, Geschäftsführer der AG Kino, sagt: „Es ist beeindruckend, wie viele Projekte und Initiativen inzwischen entstanden sind, um die Kinos bei ihrer Arbeit rund um den Film und für das Publikum zu unterstützen. Allen voran unser ‚Kinodoktor‘, bei dem sich Kinos gegenseitig besuchen und strukturiert behilflich sind. Aber auch beim Thema Ökologie und Nachhaltigkeit arbeiten wir zusammen mit allen Kinoverbänden an Standards. All das wird dem Publikum zugute kommen.“ Die Theaterleiterin der Passage Kinos, Kristin Klemann, weiß den Dialog ebenfalls zu schätzen: „Die Filmkunstmesse bedeutet für mich Kinoleben! Ich mag das Gewusel, wenn sich die Branche bei uns im Kino trifft, den regen Austausch. Und für unser Publikum bieten die öffentlichen Vorführungen am Abend die Möglichkeit, neue Filmproduktionen vorab sehen und zugleich Premierenluft schnuppern zu können.“ Ganze 16 Entdeckungen erwarten uns, los geht’s am Eröffnungsmontag mit TANDEM, sicher nicht nur interessant wegen direkten Leipzig-Bezugs und persönlicher Präsentation durch Nina Hoss. Hier trifft Französin Fanny (schüchtern) auf die deutsche Brieffreundin Lena (cool) und tut alles, um ihr zu gefallen – was für beide Identitätsfragen aufwirft. Charly Hübner kann hingegen seine Doku ELEMENT OF CRIME leider nicht höchstselbst vorstellen. Wie man ahnt, dreht sie sich um die seit fast 40 Jahren aktive Band, dazu soll ein facettenreiches Berlinporträt entstehen.

Zu hoffen ist weiterhin, daß Hailey Bennett nach unverdient eher Übersehenem à la CYRANO oder SWALLOW endlich die ihr zustehende Aufmerksamkeit bekommt, konkret als DIE WITWE CLICQUOT. Bennett spielt Barbe-Nicole Ponsardin, die „Grande Dame de Champagne“, beim Tod des Gatten gerade 27, doch pragmatisch genug, zur ersten Leiterin eines Champagnerhauses aufzusteigen. Gleichermaßen betrachtenswert das Leben von Lawrence, dessen Motto I LIKE MOVIES lautet und, da völlig überzogen ausgeprägt, zur kompletten sozialen Abschottung führt – bis er sich seiner älteren Kollegin annähert. Erwähnt seien an dieser Stelle außerdem WIR WERDEN ALLE STERBEN!, der erneut dokumentarische Ausruf eines weltuntergangsängstlichen Journalisten, welcher sich bestmöglich auf den Ernstfall vorzubereiten sucht, sowie DIE GESCHÜTZTEN MÄNNER. Im deutschen Sci-Fi-Beitrag nach Robert Merle (ja, das gibt’s!) grassiert eine bloß das Mannsvolk dahinraffende Seuche, weshalb die Frauen erst zur Macht greifen und dann einen Impfstoff entwickeln, schließlich gehört das vermeintlich starke Geschlecht bewahrt – oder? Kuratorin Hendrike Bake erteilt abschließend einen eigenen Rat: „In der Spätschiene macht man oft die größten Entdeckungen. HUNDREDS OF BEAVERS ist wirklich eine reine Freude.“ Das gepriesene Werk folgt einem Jäger und Pelzhändler, sein Begehr gilt aus Brautauslösungsgründen derzeit eben Biberfellen. Allerdings lassen die Tierchen jede Possierlichkeit fahren, enthüllen ihr wahres Gesicht und heizen dem eh nicht vor Intelligenz berstenden Feind richtig ein …

Wenn einem so viel (und mehr!) Gutes widerfährt, ist das konsequentes Abblocken etwaiger anderer Abendtermine absolut wert, finden wir. Und Sie?

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...