Originaltitel: BIRD

GB/USA/F/D 2024, 119 min
Verleih: MFA

Genre: Drama, Erwachsenwerden, Poesie

Darsteller: Franz Rogowski, Barry Keoghan, Nykiya Adams

Regie: Andrea Arnold

Kinostart: 20.02.25

Bird

Ein Sozialdrama hebt poetisch ab

Die Kröte wird für alles zahlen.“ Das ist der „geniale“ Plan von Bug, einem volltätowierten Typen, der zu früh Vater wurde und mit seiner Tochter Bailey – noch ein halbes Kind – in einem besetzten Haus in einer heruntergekommenen Kleinstadt am Meer lebt, in der Grafschaft Kent. Nachts dröhnt immer die Musik, wegen der Parties. Es wird viel gekokst. Und jetzt soll die Kröte, die aus Südamerika eingeschleust wurde, Schleim produzieren – für eine halluzinogene Droge.

Wo bleibt da Bailey? Bugs einzige Sorge ist, daß seine Tochter am Wochenende ihr Kleid anzieht, denn da will er spontan heiraten. Mit dem Mädchen, das immer wieder aus diesem chaotischen Zuhause abhaut, stromern wir durch den Ort und seine Umgebung. Nervöse Handkamera, schnelle Schnitte und zuweilen Handy-Ästhetik produzieren Realismus pur. Und wiederum auch mehr als das. Die Natur wird durch Baileys Perspektive zu etwas Übersinnlichem. Spätestens, als Bird auftaucht, ein seltsamer Typ im Faltenrock, der an einen Vogel erinnert und etwas aus seiner Vergangenheit sucht. Die beiden bilden für eine kurze Zeitspanne eine eigenartige Familie.

Andrea Arnold erzählt nach FISH TANK und AMERICAN HONEY wieder von einer jugendlichen Außenseiterin und entfaltet mit großer Poesie und Unmittelbarkeit ihr Universum. Es ist eine brutale Welt, voller Verwahrlosung, eine Welt, in der es zu überleben gilt. Aber als hoffnungsloses Sozialdrama inszeniert Arnold das nicht. Sie erzählt von der großen Menschlichkeit, die immer noch bleibt, und von scheinbaren Verlierern, die über sich hinauswachsen. Der ganze Film ist geprägt von der Liebe zu den Menschen, denen er auch die gröbsten Fehler noch verzeihen kann. So viel Empathie findet man selten im Kino. Und so viele Tiere ebensowenig. Pferde, Schafe, Vögel sind Bailys Freunde. Arnolds Naturmystizismus stößt an die Grenzen der Esoterik, wird aber durch den harten Naturalismus doch immer wieder geerdet.

Die Figur des Bird, gespielt von Franz Rogowski, wirkt darin zunächst wie ein Fremdkörper, bildet dann aber die Brücke hin zum magischen Realismus. Dabei ist nichts absehbar, und es gibt immer wieder unerwartete Vorlagen zum Lachen. Etwa, wenn Bug, brillant gespielt von Barry Keoghan, im Laufe des Filmes seinen Musikgeschmack an den der Kröte anpaßt.

[ Lars Meyer ] Im Zweifelsfall mag Lars lieber alte Filme. Seine persönlichen Klassiker: Filme von Jean-Luc Godard, Francois Truffaut, Woody Allen, Billy Wilder, Buster Keaton, Sergio Leone und diverse Western. Und zu den „Neuen“ gehören Filme von Kim Ki-Duk, Paul Thomas Anderson, Laurent Cantet, Ulrich Seidl, überhaupt Österreichisches und Skandinavisches, außerdem Dokfilme, die mit Bildern arbeiten statt mit Kommentaren. Filme zwischen den Genres. Und ganz viel mehr ...